Spezialausgabe NCN Deutzen 2020 setzte Zeichen Drucken
Geschrieben von: Wolfgang Hesse   
Mittwoch, den 16. September 2020 um 00:00 Uhr

Ein kleines Stück Normalität bei der Nocturnal Culture Night (NCN) für die
Musik- und Konzertbranche und die Konzertfans

NCN

Es war ein Fest! Zur zweitägigen Spezialausgabe NCN 2020 kamen etwa 780 Besucher nach Deutzen. Zusammen mit Bands, Security und NCN-Team war das Festival auf 999 Personen pro Tag begrenzt. Das familiäre Festival der schwarzen Szene zum Sommerausklang gehört zu den angesagten in den neuen Bundesländern. Unweit von Leipzig gelegen, lädt es alljährlich in das einmalige Ambiente des Kulturparks Deutzen ein. Doch diesmal war alles etwas anders. Die Situation bestimmte ein Hygieneschutzkonzept, dass es möglich machte, trotz Auflagen eine kleine Ausgabe des NCN durchführen zu können. Einbahnwege durchzogen das Gelände zwischen den beiden Bühnen. An einigen Orten galt Maskenpflicht und die Besucher nahmen abstandsgerecht auf Stühlen Platz. Alles war gut durchdacht und leicht einzuhalten. Somit war es fast wie immer. Es herrschte eine angenehme und freundliche Atmosphäre. Leider musste der Zugang zur Kulturbühne aufgrund der geringen Platzanzahl reglementiert werden. Zur gleichen Zeit gab es jedoch genügend Plätze an der anderen Bühne. Die Shows fanden parallel statt, so dass man sich für eine Band entscheiden musste. Das viel zeitweise schon etwas schwer, weil das Angebot sehr hochkarätig war. Insgesamt 20 Bands hatte das NCN-Team an den beiden Tagen nach Deutzen geholt.

Die zwei Tage NCN 2020 Spezial werden wohl in die Geschichte des Festivals als etwas Besonderes, noch nie Dagewesenes eingehen. Die Besucher, die wir im Rahmen unserer Sendung "Die Welt der dunklen Musik" befragten waren voll des Lobes, so ein Festival unter Corona-Bedingungen durchzuziehen. Man spürte zwar überall die Ausnahmesituation im Kulturpark, doch versuchte der Veranstalter so viel Normalität wie möglich seinen Gästen zu bieten. Herzlichen Dank dafür.
Nach der Nummer 14 folgt normalerweise die  Nummer 15. Hoffen wir, dass im Jahre 2021 das kleine Jubiläum in bekannter Weise stattfinden kann. Midge Ure, Front 242 und Men without Hats sind schon ein paar gesetzte Vorboten, die Lust auf mehr machen. Also bitte das Wochenende vom 10. bis 12. September 2021 vormerken. Die Karten von 2020 behalten ihre Gültigkeit für die 15. Ausgabe. Der offizielle Kartenverkauf für das NCN 2021 startet am 1. Oktober 2020.

Wie diese Spezialausgabe bei den Besuchern angekommen ist, haben wir in einer kleinen Umfrage eingefangen. Die musikalischen Grüße und die Meinungen unserer Gesprächspartner sind bereits in der Sendung "Die Welt der dunklen Musik" am 14. September und in der Wiederholung am 20. September zu hören gewesen.

Hier die Antworten zum Nachhören
















Ausführliche Bildergalerie: -->
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Weitere Informationen:
Homepage: https://www.nocturnal-culture-night.de/
Facebook: https://www.facebook.com/nocturnalculturenight?fref=ts

Vielen Dank an das NCN-Team für die Fotoerlaubnis!



Palast und Amnistia eröffnen die Spezialausgabe

Palast, das sind Sascha Pace, bekannt als Sascha Gerstner, Gitarrist der Power Metal-Formation Helloween, sowie Marc Engel von Rabia Sorda. Aktuell wurde Oh, Pretty Woman, als Vorbote einer Serie von Singles zu Coversongs, veröffentlicht. Musikalisch könnte man PALAST in den 1980ern vermuten, weil sie authentisch echte Synthesizer aus dieser Zeit verwenden, echte E-Drums, echte Gitarren. In Deutzen überzeugten sie mit einem Gefühl für Klang, Raum, Größe, Qualität, Hingabe und Experimentierfreude. Alles begann einmal mit der EP und dem Song Hush, der natürlich beim Eröffnungskonzert nicht fehlen durfte. Palast auf der Amphibühne war der richtige Einstieg für ein musikalisches abwechslungsreiches Musikwochenende. Einen Heimvorteil hatten Amnistia aus Leipzig. Das Projekt hat sich 2003 zusammengefunden. Der Sound ist eine Mischung aus Electro, EBM, Wave und Darkwave, den die Macher gern als Bodywave bezeichnen. Die beiden Mitglieder sind Stefan Schoetz, der für Arrangements und Sounds verantwortlich zeichnet und Frontmann Tino Claus, der neben Arrangements auch die Lyrics beisteuert. Übrigens Tino Claus ist auch mit MRDTC unterwegs und präsentierte am Folgetag sein Minimal-Projekt TC75. Damit sprang er für die angekündigten Musiker von Kiew ein, die aus Krankheitsgründen leider nicht anreisen konnten.


Neofolk, Dark Elektro und Kammerkonzert

Ein schönes Wiedersehen konnten die Anhänger von Kälte feiern. Das Leipziger Neofolkprojekt um Sven Martin begeisterte bereits vor einem Jahr an gleicher Stelle. Grundsätzlich kann man feststellen, dass Kälte in Sound und Präsentation ihrer Songs noch einen Tick anspruchsvoller geworden sind. Franziska Martin begleitet Sven ab diesem Jahr auf der Bühne. Damit bekommt der emotionale Sound noch mehr Tiefe. Das zeigte sich unter anderen bei den Songs Tränenwasser, Blicke die töten, Kleid aus Dornen, In den Hallen, Eis, Der Falter und Gegengift. Mit den Song Alles anders sieht Sven Martin eine direkten Bezug zu der der Zeit, in der wir gerade leben.
Großen Zuspruch feierten danach Fïx8:Sëd8 an gleicher Stelle, ein deutsches Dark-Elektro-Musikprojekt von Martin Januszewski alias Martin Sane aus Wiesbaden. Hier wurde das erste Mal die Kulturbühne wegen Überfüllung geschlossen. Die Band hatte ihr neues Album Warning Signs im Gepäck, woraus auch der Ohrwurm Love erklang.
Unterdessen begeisterten Adam is a Girl auf der Amphibühne mit Songs aus ihren aktuellen Album Now Or Never. "Ich hoffe ihr seid gut durch das Jahr gekommen", ruft Frontfrau Anja Adam den Zuhörern zu und meint, wie sehr doch der Song Up and down dazu passe. Mit chase her down erinnert die Band an einen der ersten Songs, den sie jemals geschrieben haben. We'are one stammt ebenfalls vom aktuellen Album und damit nehmen Anja und ihre Männer Bezug auf die "Black Lifes Matter" Bewegung in diesem Jahr. Zum Schluss heißt es "Auf Wiedersehen". Was könnte da besser dazu passen, als Goodbye Berlin, der Song, womit sich Adam is a Girl von den NCN-Besuchern verabschieden.

Als wahrer Höhepunkt am frühen Abend erwies sich das Kammerkonzert von Goethes Erben. In der Besetzung mit Sebastian Boettcher (Flügel), Benni Cellini von Letzte Instanz (Cello), Jochen Schoberth (Akustik Gitarre) und natürlich dem unverwechselbaren Oswald Henke, sind sie derzeit auf Tour mit Kammerkonzerten zum neuen Album Flüchtige Küsse. Als Erscheinungstag wird der 18. September angegeben. In Deutzen erklangen neben Klassikern, wie 5 Jahre, Vermisster Traum, Die Tage des Wassers und Iphigenie auch neue Songs wie etwa, Ich bin der Zorn. Mit einer dezenten aber höchst wirksamen Bühnendekoration und interessantem Licht, selbst beigesteuert von Oswald Henke, bekommen die Songs noch mehr Tiefgang. Wie 2019 bereits im Schauspielhaus Leipzig präsentiert, eröffnen die Kammerkonzerte eine neue Klangfarbe der Lieder von Goethes Erben. Nicht nur Oswald Henke, sondern auch seine Mitmusiker zeigen ihre solistische Meisterleistung. Eine weitere Meisterleistung war auf jeden Fall, einen hochwertigen Flügel auf die Bühne zu bringen. Gemeinsam mit Crew und Musikern wurde das vollbracht, ein großes Lob für diese Aktion.


Unterschiedlichste Genre zum Abschluss des ersten Konzerttages

Etwas weniger Instrumentarium benötigten Suicide Commando. Der Belgiers Johan Van Roy tendiert mit seiner Musik vermehrt in Richtung Aggrotech. "Willkommen in Corona Zeiten" ruft er den zahlreichen Fans vor der Amphibühne zu. Mit dem aktuellen Song Mein Herz deine Gier, der unlängst als Reanimate neu erschien, eröffnen Suicide Commando quasi eine Show mit vielen bekannten Songs.
Wer den ersten Tag etwas ruhiger ausklingen lassen wollte, dem waren Mila Mar auf der anderen Bühne empfehlen. In diesem Jahr überraschte Anke Hachfeld mit dem neuen Album Harar. Kennzeichen von Mila Mar ist die Phantasiesprache in den Texten. Hierbei verweben sich Gesang und Worte mit der sphärischen und anspruchsvollen Musik, die eine Mischung aus Folk, Weltmusik, Electronica und Alternative Rock zu sein scheint. Ein aufmerksames Publikum lauschte den Klängen und den enormen Stimmumfang der Sängerin. Leider gab es während des Konzertes einige technische Probleme, die aber der Qualität und den Emotionen, die Musik und Gesang vermittelten, keinen Abbruch taten.


Am zweiten Festivaltag standen zwölf Bands auf dem Konzertplan.

Auch hier bewiesen die Veranstalter wieder Fingerspitzengefühl und hatten für jeden Musikgeschmack etwas anzubieten.

Saigon Blue Rain kommen aus Frankreich und sind dem NCN Publikum von früheren NCN-Auftritten bekannt. Darkwave und Dream Pop haben sie auch diesmal mitgebracht. Zusammen mit Lizard Pool, die aus Leipzig kommen und ihrem dunklen Indie Rock im Gepäck hatten, gabt es so eine charmante und rhythmische Eröffnung am Folgetag auf den beiden Bühnen.

Für die Fans der NDH (Neue Deutsche Härte) passten Ost+Front recht gut in das Festivalprogramm. Wie immer erscheinen die sechs Mannen der Berliner Band in ihrem gewohnten Outfit auf der Bühne. Dabei wird nicht mit roter Schminke und Kunstblut gespart. Unterstützt wurde die Show der Dark Rocker von einer Tänzerin, die passend zur Band in ebenso obskurem Outfit erschien. Musikalisch boten Ost+Front ihr allseits gut bekanntes Repertoire: Adrenalin, Fiesta de Sexo, Puppenjunge, Anders, Mensch, Hans guck in die Luft, Heavy Metal und Grenzenlos und frei. Natürlich ließ sich auch einiges vom gerade erschienen Album Dein Helfer in der Not in das Programm einbauen. Mit der Zugabe Schlag mich verabschiedeten sich Ost+Front nach 70 Minuten von einem dankbaren NCN-Publikum.

Unterdessen beherrschen die leisen Töne die Kulturbühne. Darkfolk, Gothic, Neofolk aus Hannover mit Traum'er Leben stand auf dem Programm. Wie bereits 2017 konnte die Band ihre Anhänger und so manch neuen Besucher begeistern. Einige Songs aus dem Set waren Der alte Turm, Rome und der Klassiker Solaris. Bleiben wir gleich bei Rome. Solistisch und akustisch präsentierte sich Jerome Reuter. Der Mann hinter seinem Projekt Rome konnte erneut mit seine selbstgeschriebenen Songs punkten. Nach gut 30 Minuten hätte sich so mancher noch etwas mehr gewünscht, doch leider verschwand Jerome Reuter ohne Zugabe von der Bühne.

Unterdessen feierten die Fans elektronischer Musik auf der Kulturbühne AD:KeY. René Nowotny und Andrea Schwägerl-Nowotny werden live unterstützt von Rossi BM. Die Besucher hielt es natürlich beim EBM-Sound nicht auf ihren Stühlen. Zu den Songs You can't fuck me, Du und ich, Hoch die Hämmer und Wir sind frei wurde getanzt und gefeiert. Rene bemerkt dazu passend: Die Freiheit die wir haben, gib es nur in ganz wenigen Ländern. Resonanz so heißt das gerade veröffentlichte Album von AD:KeY. Natürlich freuten sich die beiden, ihre neuen Songs, wie I stay das erste mal einem Publikum und dann noch auf dem NCN vorzustellen. Zum Schluss gab es mit dem Klassiker Elitär einen Ohrwurm, der lautstark mitgesungen wurde. AD:keY gaben den Fans eine kleine Normalität zurück, die von vielen in diesem Jahr vermisst wird.
© Wolfgang Hesse








René Nowotny stand wenige Stunden erneut auf dieser kleinen Bühne inmitten von Grünen. Zusammen mit Martin Bodewell zelebrierten sie Orange Sektor. Man sah beiden die Spielfreude an, endlich wieder auf einer Bühne Musik zu machen. Die feiernden Fans dankten es ihnen mit großer Begeisterung.







Interview mit AD:keY

Im Rahmen unserer Sendung "Die Welt der dunklen Musik" sprachen wir nach den NCN mit Andrea und Rene von AD:keY und erfuhren so einiges zum neuem Album Resonanz:






Empathy Test sind die Abräumer des NCN 2020

Wohl kaum eine andere Band wurde so gefeiert wie Empathy Test aus England. Der eingängige Elektronik-Pop begeisterte schlechthin jeden, der beim NCN-Spezial dabei war. Sänger und Frontmann Isaac Howlett wurde von der ersten Sekunde an gefeiert. Unterstützt wurde er von seinem Partner Adam Relf und der Livemusikerin Christina Lopez (Drums), sowie Keyboarder Oliver Marson. "Ob das NCN den Auftritt der Band vom Vortag in Dresden toppen kann?", fragte Manya Kreiser, eine der Moderatorinnen des Festivals. "JA", es konnte. Songs wie Monsters, Empty Handed, Making Worlds oder die Ballade Skin rissen die Besucher von ihren Plätzen und es wurde ausgelassen getanzt. Auch nach Fear of Disappearing und Doubt aus dem aktuellen Album Monsters  war noch lange nicht Schluss. Die Britten verabschiedeten sich mit Vampire Town und schließlich mit Here is the Place aus ihrem Debütalbum Losing Touch aus dem Jahre 2017.


Drei Headliner beschließen ein in allen Punkten außergewöhnliches NCN

Langsam neigte sich auch der zweite Festivaltag dem Ende zu. In die Dunkelheit hinein klang die Musik von In Strict Confidence. Als Vintage Show angekündigt, fanden auch einige neue Songs den Weg in das Programm auf der Amphibühne, wie Dennis Ostermann verkündete. Songs wie My Despair als Opener sowie Kiss your Shadow und Forbidden Fruits ließen die Elektro-Herzen höher schlagen. Die wohl bekanntesten Songs aus den letzten 20 Jahren sind Engelsstaub und Zauberschloss. "Letzteren werden wir wohl auch in den nächsten 20 Jahre immer wieder spielen müssen", fragt Ostermann verschmitzt. Als Zugaben gab es noch Somebody Else's Dream und Herzatacke sowie die dankbaren Worte: " Ihr ward fantastisch wie immer."

Peter Heppner war angekündigt und wirklich, das Warten hatte sich gelohnt. Er eröffnete seine Show mit Unloveable, einen Song seines letzten Albums Confessions & Doubts. Unter diesem Motto stand auch das gesamte Konzert an diesem Abend. Mit Alleine Sein und Meine Welt schlossen sich gleich zwei Klassiker aus der Feder von Peter Heppner an. Dann folgten Once Again und Good Things Break auf dem Fuße. Der Ausnahmekünstler mit der unverwechselbaren Stimme schaffte es wieder mit seiner ruhigen Art, das Publikum in seinen Bann zu ziehen. Auch Klassiker von Wolfsheim, wie Once in a Livetime oder Die Flut von Joachim Witt zählten zur Setliste. Mit Wir sind wir machte Heppner ein wenig Mut, in dieser außergewöhnlichen Zeit das Wesentliche nicht aus den Augen zu verlieren. Sein wohl bekanntester Hit Kein Zurück war im Zugabenblock zu finden und wurde wie immer umjubelt gefeiert. Für viele Besucher war Peter Heppner der Höhepunkt der Spezialausgabe des NCN 2020.

Doch für alle, die es etwas ruhiger ausklingen lassen wollten, gab es ein Alternativprogramm auf der Kulturbühne. Für viele war Hekate mit mystischer Musik, den Medieval Klängen und der dunkle Folklore der Höhepunkt auf der Kulturbühne. Der besondere Sound mit Trommeln und Perkussionsinstrumenten, sowie die abwechslungsreiche Interpretation der beiden Frontleute Susanne und Axel machen Hekate einzigartig. Folk, Klassik, Liedermacher und Mittelalter verbunden mit experimentellen, elektronischen Klängen sind ein Markenzeichen der Band. So entsteht eine Verbindung von historischen und modernen Stilelementen bis hin zu einem facettenreichen Musikstil. Letztlich steht der Name Hekate, der Göttin der Unterwelt, Pate für die Intention der Musiker: das Mystische, Geheimnisvolle auf kraftvolle Weise umzusetzen. Einen Querschnitt ihres Schaffens mit dem Fokus auf dem letzten Album Totentanz hatten die fünf aus Koblenz und Rheinland-Pfalz mit nach Deutzen gebracht. Die leise Interpretation von Der Prem, ein althochdeutscher Text von Neidhardt von Reuenthal, wurde durch Susanne gefühlvoll umgesetzt. Der Song ist übrigens in einer Version auf der Bonus-CD von Totentanz zu finden. An diesem Abend erklangen weiterhin Desire, Lost and Broken, Old King, Spring of Life und natürlich der Titelsong Totentanz. Hekate nahmen die Besucher mit auf eine Seelenreise. Im Publikum herrschte anmutige Stille und Konzentration. Nur der Jubel von der anderen Bühne war manchmal zu vernehmen. Als Zugabe erinnerte Susanne an das Volkslied Die Gedanken sind frei, ein Wunsch der aus dem Publikum kam.